Benefizveranstaltung am 24.11.2017 im Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma in Berlin
Vorstellung der Objekte, für deren Restaurierung wir auf dieser Benefizveranstaltung Geld sammelten, durch Dr. Peter Plieninger:
Inge Schwark übergab am 7. Mai 1963 diesen Teddybär an die an die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück mit dem folgenden Brief:
Teddy
„Nach der Erzählung meiner Mutti, Anni Sindermann, Häftling im ehemaligen Frauen-KZ Ravensbrück: Im Herbst 1944 kam ein großer Transport mit Zigeunerinnen und deren sehr vielen Kindern nach Ravensbrück. Meine Mutti befand sich zum Zeitpunkt d er Ankunft dieses Transportes auf der Lagerstrass e. Sie wurde Augenzeugin, wie einem 4- bis 5-jährigem Zigeunerjungen dieser kleine Teddy aus der Hand fiel. Er wollte ihn aufheben. Ein SS-Mann schlug deshalb mit aller Gewalt mit dem Gewehrkolben auf den Kopf des Kindes und erschlug damit den Jungen vor den Augen seiner Mutter. Der SS-Mann schleuderte mit dem Stiefel den kleinen Bären an den Rand der Lagerstraße. Meine Mutti hob ihn auf, konnte ihn am Körper verstecken und hat ihn, auch ü ber den Todesmarsch der Häftlinge hinaus, bewahrt. Meine Mutti brachte mir diesen Bären als Spielzeug mit und hat mir die Geschichte des Bären erzählt und ich habe ihn bis heute gehütet. Inge Schwark“
Anni Sindermann (1912 – 1990) wurde am 26. Juni 1944 zusammen mit ihrem Mann Kurt Sindermann verhaftet, sie wurde anschließend nach Ravensbrück deportiert, nachdem sie schon 1935 als Kommunistin in Schutzhaft und von 1939-1943 im Zuchthaus Waldheim bei Chemnitz gefangen war. Kurt Sindermann war der ältere Bruder von Horst Sindermann, dem Vorsitzenden des Ministerrats der DDR und späteren Präsidenten der Volkskammer.
Der Vorfall mit dem Teddy wird von Anni Sindermann selber in ihrem Bericht aus dem Lager oder von anderen Häftlingen nicht beschrieben. Der zitierte Brief und ein etwas ausführlicherer mündlicher Bericht ihrer Tochter Inge Schwark sind die einzigen Quellen.
Der Teddybär, übrigens benannt nach dem US-Amerikanischen Präsidenten Theodore „Teddy“ Roosevelt 1858-1919 -, dieser Teddy wurde von 1995 bis 2014 im Gedenkraum der Sinti und Roma im Zellenbau ausgestellt. Er wird folgendermaßen beschrieben: „Teddybär 14 cm lang und 3 cm breit, braunes Fell, stark abgenutzt, Gliedmaßen nur noch lose befestigt, Nase und Augen mit schwarzem Garn bestickt.“
Schäden an dem Teddy
In einem Angebot zur Restauration werden folgende Maßnahmen vorgeschlagen:
- Oberflächenreinigung
- Metallisolierung des verwendeten Drahtes
- Herstellung einer Lagerungskiste (Handanfertigung mit speziellen Lagerungsmaterialien)
Die Restaurierung des Teddybären wird 450-500 Euro kosten.
Wir kommen zum zweiten Objekt, für dessen Erhaltung wir heute Abend Geld sammeln wollen.
Rock
Es ist ein Kinderrock aus einem blauen Wollstoff, den die damals 11 jährige Ceija Stojka im Lager trug. Sie übereignete es 1968 als Geschenk an die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück. Dort war es schon zur Eröffnung der Gedenkstätte in der ersten Ausstellung im Obergeschoss des Zellenbaus ab 1959 bis 1984 ausgestellt gewesen, später, von 1994-2011, in der Hauptausstellung in der Kommandatur, also insgesamt über 40 Jahre lang.
Das aufgenähte rosa Band ist keine Verzierung. Es handelt sich um das in der Regel mit Farbe aufgemalte Kreuz, das alle Häftlinge des Lagers auf der Zivilkleidung tragen mussten. In der Endphase des Lagers wurde keine Häftlingskleidung mehr verteilt. Es wurden Zivilkleider aus den Depots des Lagers verwendet, die solchermaßen markiert wurden. Interessant ist die Gestaltung des aufgenähten Kreuzes. Hier wird das Rot des Häkelsaumes der Taschen aufgegriffen und dadurch die Bedeutung des Kreuzes quasi aufgehoben, sozusagen neutralisiert.
Rock, Ausschnitt Taschen
Eines der wenigen Bilder der Schriftstellerin und Malerin Ceija Stojka, Tochter einer österreichischen Lovara-Familie, über das KZ Ravensbrück zeigt die folgende Folie:
Ceija Stojka: Appell im Winter in Ravensbrück
Gezeigt wird die winterliche Situation des Appells. Auf dem Platz zwischen den Baracken, die auf der Seite liegend gemalt sind, sieht man die Häftlinge umringt von schwarz gekleideten SS-Aufseherinnen mit Peitschen und Hunden. Bei genauerem Hinsehen, entdecken wir auch hier die aufgemalten Kreuze auf der Kleidung der Häftlinge.
Ceija Stojka: Appell im Winter – Ausschnitte
Die Beschreibung des Depots der Mahn- und Gedenkstätte zu dem Kinderrock lautet:
„Material Wolle, Höhe 60 cm, Breite 47,5 cm
Kinderröckchen, mittelblau mit rotem als Kreuz aufgenähtem Band auf der hinteren und vorderen Seite; kein Gurtband, zwei Rocktaschen rot abgesetzt; ausgelassener Saum; vereinzelte Mottenlöcher. Zustand: restaurierungsbedürftig.“
In einem Angebot einer Textilrestauratorin werden die verschiedenen Arbeitsschritte der Restaurierung erläutert. Die Arbeiten werden mit 16 Stunden und 660,00 Euro veranschlagt.
Heute sammeln wir für die Restaurierung dieser zwei für die Häftlingsgruppe der Sinti und Roma zentral wichtigen Artefakte aus dem Depot der Gedenkstätte. Dort liegen noch weitere fast 200 Nachlässe mit vielen zu erhaltenden Objekten.
Das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma hat dankenswerterweise einen Spendenaufruf für die heutige Veranstaltung ihrem Verteiler beigelegt, dennoch möchte ich auch die hier Anwesenden herzlich um eine großzügige Spende zur Restaurierung der beiden vorgestellten Objekte bitten. Am Ausgang sehen Sie unsere Spendendose. Hier finden Sie auch Überweisungsträger und unser Faltblatt mit unserer Kontonummer. Wenn wir Sie von der Arbeit des Internationalen Freundeskreises überzeugt haben, besteht mit einer dort angehängten Postkarte auch die Möglichkeit, bei uns Mitglied zu werden.
Herzlichen Dank,
Peter Plieninger
Wenn Sie für die Restaurierung dieser Objekte noch etwas spenden möchten, finden Sie alle relevanten Informationen dazu unter dem Punkt „Spenden“ auf dieser Website.